Von “Mein Bauchgefühl sagt mir”, “Es schlägt mir auf den Magen” bis hin zu “Schmetterlingen im Bauch”: Alles gebräuchliche Metaphern, die unsere Emotionen mit unserem Verdauungssystem in Verbindung bringen. Und tatsächlich scheinen diese daher gesagten Ausdrucksweisen auf eine bedeutende Wahrheit hinzudeuten: Die enge Verbindung zwischen unserem Mikrobiom im Darm und unserem gesamten Körper.
Was ist das Mikrobiom?
Allgemein bezeichnet man mit dem Mikrobiom die Gesamtheit aller Mikroorganismen, die einen bestimmten Organismus besiedeln. Mikroorganismen wie Pilze, Bakterien und Viren nutzen hierbei Pflanzen, Tiere oder Menschen als Wirte. Diese Organismen leben in einer Symbiose mit ihrem Wirt, wobei beide Seiten voneinander profitieren (1).
Der menschliche Körper besitzt nicht nur ein, sondern verschiedene Mikrobiome mit diversen Mikroorganismen. Diese bilden ein komplexes Ökosystem, das eng mit unserem Immunsystem und unserem Körper in Balance steht. Beispiele dafür sind der Mund, die Haut, die Nase, der Urogenitaltrankt und der Darm. Diese Bakterien und Pilze sind nicht schädlich, sondern tragen zu unserer Gesundheit bei. Wir sind auf sie angewiesen. Gerät das Gleichgewicht allerdings außer Kontrolle, werden Unwohlsein oder sogar Krankheiten gefördert. In solchen Fällen spricht man von einer Dysbiose (2).
Eine ungesunde und unausgeglichene Ernährung fördert eine Dysbiose im Darm. Es fehlen Darmbakterien, die der Körper benötigt, um beispielsweise kurzkettige Fettsäuren zu produzieren. Die Fettsäuren fehlen dann wiederum den Epithelzellen der Darmschleimhaut. Die Folge ist eine gestörte Barrierefunktion im Verdauungssystem. Es kommt zum “Leaky-Gut-Syndrom”. Die Darmbarriere wird durchlässiger und unerwünschte Stoffe gelangen in den Körper. AUf diese Weise gelangen unter anderem Erreger und Toxine in den Blutkreislauf. Infolgedessen kann es zu Entzündungen im ganzen Körper kommen (3).
Es wurde bereits nachgewiesen, dass Dysbiosen eine Rolle bei Erkrankungen wie Diabetes, entzündliche Darmerkrankungen und sogar neurologisch Erkrankungen spielen (4)(5).
Die Forschung zum Mikrobiom ist jedoch komplex und es gibt viele unbekannte Aspekte. Die Diversität des Mikrobioms ist ein wichtiger Faktor für dessen Funktionsweise. Es ist allerdings nicht immer klar, wie diese Diversität beeinflusst wird. Auch welche spezifischen Bakterienstämme genau für welche Funktionen verantwortlich sind, weiß man nur selten (4).
Wie können Omega-3-Fettsäuren das Mikrobiom beeinflussen?
Omega-3-Fettsäuren, insbesondere die Eicosapentaensäure (EPA) und die Docosahexaensäure (DHA), sind essentielle Fettsäuren. Sie sind die für viele Aspekte unserer Gesundheit von Bedeutung und müssen über die Nahrung zugeführt werden. Sie sind dafür bekannt, entzündungshemmend zu wirken und das Herz-Kreislauf-System zu unterstützen. Außerdem zeigen Forschungsergebnisse einen positiven Einfluss von Omega-3-Fettsäuren auf das Mikrobiom (6).
Essentielle Fettsäuren kann der Körper nicht selbst herstellen. Daher müssen diese über die Nahrung aufgenommen werden.
Die Omega-3-Fettsäuren beeinflussen das Mikrobiom im Darm positiv, indem sie das Risiko für Darmentzündungen reduzieren. Außerdem scheinen sie die Darmbarriere zu stärken. Auf diese Weise senken sie das Risiko des Leaky-Gut-Syndroms und auch von systemischen Entzündungen.
Darüber hinaus verstoffwechseln die Darmbakterien die Omega-3-Fettsäuren. Die entstehenden kurzkettigen Fettsäuren besitzen ebenfalls entzündungshemmende Eigenschaften und fördern die Darmgesundheit.
Es ist zu erwähnen, dass eine wechselseitige Beziehung zwischen Omega-3-Fettsäuren und dem Darmmikrobiom besteht. Omega-3-Fettsäuren tragen einerseits zur positiven Veränderung der Darmflora bei. Andererseits verbessert eine gesunde Darmflora die Aufnahme und Verarbeitung der Omega-3-Fettsäuren im Körper (6).
Omega-3-Fettsäuren beeinflussen die Darmimmunität auf drei Hauptweisen:
- Reduktion der Freisetzung von entzündungsfördernden Arachidonsäure-Phospholipiden
- Hemmung der entzündungsfördernden Signalmoleküle
- Positive Beeinflussung der Bakterienzusammensetzung
Omega-3-Fettsäuren mit anderen Nährstoffen
Die Erforschung des Zusammenhangs zwischen Omega-3-Fettsäuren in Verbindung mit anderen Nährstoffen und dem Mikrobiom ist komplex. Die Studien sind schwer zu interpretieren und liefern bisher keine einheitlichen Ergebnisse. Viele Ernährungsstudien untersuchen den Effekt von Omega-3-Fettsäuren in Kombination mit anderen Nährstoffen. Obwohl solche Ansätze Rückschlüsse ermöglichen, lässt die Wirkung nicht einfach auf die Omega-3-Fettsäuren zurückführen.
Probiotika sind lebende Mikroorganismen, die einen positiven Effekt auf die Darmgesundheit haben.
Forscher der Studie von Rajkumar et al. (2014) haben gezeigt, dass Omega-3-Fettsäuren in Kombination mit spezifischen Probiotika das Wachstum gesunder Darmbakterien fördern. Die Kombination erzeugt einen synergistischen Effekt und stärkt das Mikrobiom. Alleiniges Omega‑3 hatte nur begrenzten Einfluss auf die Darmflora. Die Auswirkungen auf die Insulinempfindlichkeit und auf die Entzündungswerte waren hingegen signifikant (7).
Eine weitere Studie aus dem Jahr 2020 untersuchte die Folgen einer Polyphenol- und Omega-3-reichen Ernährung bei hohem Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen. Polyphenole sind Pflanzenbestandteile, die nicht primär für das Überleben der Pflanze notwendig sind. Sie befinden sich in den äußeren Schichten der Pflanze und verleihen Blüten häufig ihre Farbe (8). Die Studie ergab, dass diese Ernährung einen positiven Einfluss auf die Zusammensetzung der Darmflora hat. Dies steht in Verbindung mit Veränderungen im Glukose- und Fettstoffwechsel (9).
Bei Vergleich einer Standarddiät und einer Diät mit Sardinen fünfmal pro Woche zeigte sich kein Unterschied bei der Blutzuckerkontrolle. Allerdings wirkte sich diese Ernährungsmaßnahme positiv auf das kardiovaskuläre Risiko von Diabetikern aus (10).
Angereicherte Meeresfrüchte-Sticks bewirkten bei fettleibigen Personen einen potenziellen Schutz vor der Entwicklung von Typ-2-Diabetes. Diese Wirkung hängt dabei teilweise mit Veränderungen in der Zusammensetzung der Darmflora zusammen (11).
Omega-3-Fettsäuren
In einigen Studien kamen Omega-3-Fettsäuren als alleinige Intervention zum Einsatz. Diese Arbeiten liefern daher einen noch besseren Einblick in die Wirkung der Fettsäuren auf das Mikrobiom.
Die orale Gabe von Docosahexaensäure (DHA) mit einer niedrigen Dosis Aspirin wirkt nachweislich bei der Behandlung von chronischen Zahnfleischentzündungen. Die erzielte Verbesserung der Parodontitis deutet auf eine Modulation der Entzündungsreaktionen hin. Eine Veränderung des Mikrobioms unterhalb des Zahnfleischsaums konnte nicht festgestellt werden. Jedoch verringerte sich die Konzentration des Stäbchenbakterium P. gingivalis. Dieses Bakterium ist bei erhöhten Konzentrationen hauptsächlich für die Paradontitis verantwortlich (12). Es bedarf jedoch weiterer Untersuchungen, um festzustellen, ob diese Veränderungen zu einer Umkehrung der Dysbiose im Biofilm führt (13).
Die Nahrungsergänzung mit mehrfach ungesättigte Omega-3-Fettsäuren führt zu einem Anstieg verschiedener Bakterien, die kurzkettige Fettsäuren produzieren. Diese kurzkettigen Fettsäuren sind wichtig für unseren Darm und die Darmflora. Frühere Studien zeigten, dass Omega‑3 bei Mäusen das Mikrobiom so verbessert, dass eine antikanzerogene Wirkung unterstützt wird. Allerdings besteht keine klare Verbindung zwischen den Darmbakterien und der Menge an Omega-3-Fettsäuren, die im Körper verteilt sind (14).
Personen mit angeborener Hypercholesterinämie, also erhöhten Cholesterinwerten im Blut, weisen eine geringere Vielfalt und Fülle der Darmbakterien auf. Die Einnahme von Blutfettsenkern führte zu einer weiteren Abnahme der Mikrobiom-Vielfalt. Die Omega-3-Fettsäuren haben eine positive Wirkung auf die Blutfettwerte. Die Untersuchung von Storm-Larsen et al. zeigte jedoch, dass Omega-3-Fettsäuren kaum Einfluss auf die Zusammensetzung des Darmmikrobioms hatten. Die Senkung der Blutfettwerte wird also möglicherweise durch andere Mechanismen vermittelt (15).
Möglicherweise wirken Omega-3-Fettsäuren wie ein Präbiotikum und beeinflussen so die Darmflora positiv. Präbiotika sind Bestandteile von Lebensmitteln, die sich über die Beeinflussung des Darmmikrobioms positiv auf die Gesundheit auswirken. In einer 6- wöchigen Studie wurde die Wirkung von 500 mg Omega‑3 im Vergleich zu 20 g des Präbiotikum Inulin untersucht. Inulin gilt als Goldstandard für die Manipulation des Mikrobioms. Als präbiotischer Ballaststoff fördert es das Wachstum der guten Bakterien. Die Einnahme von Inulin führte zu einer deutlichen Erhöhung der Anzahl von Bifidobakterien und Lachnospiraceae. Im Gegensatz dazu nahm bei der Omega-3-Supplementierung die Gattung Coprococcus und Bacteroides signifikant zu. Gleichzeitig verringerte sich die Menge von Collinsella, welches mit der Fettleber in Verbindung steht. Die Omega‑3 Einnahme führte zudem zu höheren Konzentrationen von den kurzkettigen Fettsäuren im Vergleich zur Inulin-Einnahme. Diese Ergebnisse deuten darauf hin, dass Omega-3-Fettsäuren das Darmmikrobiom beeinflussen und ähnliche, präbiotische Eigenschaft aufweisen, wie Inulin (16).
Fazit
Das Mikrobiom im Darm spielt eine entscheidende Rolle für unsere Gesundheit und unser Wohlbefinden. Eine gute und vielfältige Darmflora ist wichtig, um Entzündungen zu reduzieren, das Immunsystem zu stärken und verschiedenen Krankheiten vorzubeugen. Die Omega-3-Fettsäuren tragen dazu bei, dieses Mikrobiom in Balance zu halten und somit unsere Gesundheit positiv zu beeinflussen.
Die Wirkung von Omega-3-Fettsäuren auf das Mikrobiom ist jedoch komplex und von verschiedenen Faktoren abhängig. Dazu gehört die individuelle Zusammensetzung der Darmflora und die Wechselwirkung mit anderen Nährstoffen. Die Studienlage zeigt bereits einige positive Ergebnisse, aber es gibt noch zahlreiche Widersprüche. Weitere Forschungen sind notwendig, um ein tieferes Verständnis für diese Zusammenhänge zu entwickeln und klare Aussagen treffen zu können.
Es steht fest, dass Omega-3-Fettsäuren für unsere generelle Gesundheit von großer Bedeutung sind. Neben der potenziellen Wirkung auf den Darm sind sie essenziel für die Unterstützung des Herz-Kreislauf-Systems und Gehirn. Außerdem können sie chronische Entzündungen hemmen.
Eine gesunde Darmflora bedeutet nicht nur ein besseres Bauchgefühl, sondern hat auch einen positiven Einfluss auf unser gesamtes Wohlbefinden. Omega-3-Fettsäuren leisten dabei einen wichtigen Beitrag zu einer gesunden Ernährung. Inwieweit dieser Effekt jedoch durch das Mikrobiom bedingt ist, muss noch gezeigt werden.
Quellen
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